20. April 2023 – Sebastian Tegtmeyer

Wegen Totschlags

Frauenleiche in Kanal: Ex-Geliebter vor Gericht

Ein Angler macht Mitte Januar in Hamburg-Wilhelmsburg einen gruseligen Fund - er zieht eine Tüte mit Leichenteilen aus einem Kanal. Seit Donnerstag (20.04.) muss sich nun ihr Ex-Geliebter wegen Totschlags vor Gericht verantworten.

Gericht, Urteil, Gesetz
Foto: Gorodenkoff, Shutterstock

Rechtsmediziner können die Überreste einer 29-Jährigen zuordnen, die vor zehn Jahren verschwand. Vor dem Landgericht Hamburg muss sich seit Donnerstag (20.04.) nun ihr Ex-Geliebter wegen Totschlags verantworten. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass der in Hamburg geborene Türke die Frau erwürgte. Der Angeklagte bestreitet das. "Es wird dem Tatvorwurf generell entgegengetreten", sagt Verteidiger Florian Melloh im Namen seines Mandanten. 

Bulgarien soll vom Angeklagten Geld gefordert haben

Der erste Prozesstermin ist genau der Tag, an dem das Opfer 39 Jahre alt geworden wäre. Der Vater sitzt im Gerichtssaal. Er ist Nebenkläger, ebenso wie zwei Töchter der Frau. Nach Überzeugung der Anklage war Hintergrund der Tat, dass die Bulgarin vom Angeklagten fortlaufend Geld für ihren Lebensunterhalt gefordert habe. Sie habe ihm gedroht, im Fall der Nichtzahlung seine Familie über das außereheliche Verhältnis zu ihr und seine Tätigkeit als Bordellbetreiber zu informieren.

Eisenplatte soll Leichenteile beschwert haben

Am ersten Prozesstag befragen die Richter auch einen Polizeitaucher, der nach dem Fund des Anglers weitere Leichenteile suchte. Auf einem Bildschirm, auf den die Zuschauer nicht blicken können, schauen die Prozessbeteiligten Fotos, Videos und Skizzen an. Schädel, Kleidungsreste, ein Schuh mit Knochen - die zu hörende Beschreibung der Bilder lässt erahnen, was dort Schreckliches angesehen wird. Dabei geht es auch um die Frage, ob die Leiche beschwert wurde. Eine Rolle spielt dabei auch eine Eisenplatte. Sie soll hochkant an der Kanalwand gestanden haben, daran eine Schnur mit einem Unterschenkelknochen. Ob dieser dort bewusst befestigt wurde oder sich verheddert hatte - das kann der Taucher nicht sagen.

Der Verteidiger kritisiert, die Ermittlungen seien einseitig gegen den heute 43-Jährigen geführt worden. "Es wird unheimlich viel in der Akte spekuliert", meint Melloh. Man stütze sich zudem nur auf die Aussage eines Zeugen. Das Verfahren gegen seinen Mandanten habe viel zu lange gedauert.

Frau war Anfang März 2013 aus ihrem Lebensumfeld verschwunden

Die Frau war Anfang März 2013 aus ihrem Lebensumfeld in Wilhelmsburg verschwunden. Zunächst war die Polizei davon ausgegangen, dass sie in ihre Heimat gereist war. Dann vermuteten die Ermittler ein Tötungsdelikt und fahndeten öffentlich mit einem Foto und Plakaten nach der Vermissten. Schließlich verhafteten die Beamten den Ex-Geliebten der Frau. Bei einer Durchsuchung der Auto-Werkstatt des Angeklagten stellten die Ermittler bei ihm eine scharfe Schusswaffe sicher.

Prozess wird am 2. Mai fortgesetzt

Die Staatsanwaltschaft erhob schon damals Anklage wegen Totschlags gegen ihn. Das Gericht hatte jedoch nicht über die Zulassung der Anklage und die Eröffnung eines Prozesses entschieden. Denn eine intensive Suche der Polizei nach der Leiche war erfolglos geblieben. Der Mann musste mangels dringenden Tatverdachts im April 2014 wieder freigelassen werden. Mitte Januar dieses Jahres entdeckte der Angler die ersten Knochen im Ernst-August-Kanal. Daraufhin suchten Polizeitaucher unter einer Eisenbahnbrücke im Wasser nach weiteren menschlichen Überresten. Anfang Februar wurde der frühere Geliebte des Opfers bei seiner Einreise am Hamburger Flughafen erneut verhaftet. Das Landgericht hat 26 Verhandlungstermine bis zum 1. September angesetzt. Der Prozess wird am 2. Mai fortgesetzt.

(Quelle: Stephanie Lettgen, dpa)

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